Unsere Jugend ist unsere Zukunft!

Gastartikel von Beate L.


Die sich immer weiter entwickelnde persönliche Freiheit des einzelnen Menschen fordert von ihm auch mehr Verantwortungsbewußtsein.
Deshalb kann es in unserer modernen Gesellschaft nicht mehr nur Ziel der Erziehung sein, Wissen zu vermitteln, sondern es muß auch noch eine erhöhte Flexibilität, kritisches Denken und Eigeninitiative entwickelt werden, damit der Mensch seine Umwelt realistisch beurteilen und in ihr bestehen kann.
Noch nie hatte die Schule, wo der junge Mensch mindestens 9 Jahre seines Lebens verbringt, eine so bedeutende Rolle in der Erziehung wie heute. Durch die steigende Zahl Alleinerziehender und Familien, in denen beide Eltern arbeiten, muß man davon ausgehen, daß gleichzeitig die Zahl der Kinder steigt, für die die Schule die wichtigste kontinuierliche Erziehung darstellt.
Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist es heute nur noch in sehr eingeschränkten Rahmen gestattet, die Schüler durch Strafen zu Disziplin und zum Lernen zu zwingen. Es ist jedoch klar, daß durch den Wegfall solcher Zwänge allein noch nicht zu Kritik und Initiative hingeführt wird.
Hierin liegt nun die Hauptaufgabe des Lehrers.
In der momentanen Situation ist es jedoch selbst einem engagierten Lehrer teilweise unmöglich, die Schüler zu motivieren, da ihm selbst von der Verwaltung/ vom Staat so viele Richtlinien über das "wie" bis zum "was" aufgedrückt werden, daß er nur noch in sehr eingeschränktem Maße den Unterricht nach seinen Vorstellungen gestalten kann, und er so fast keine Möglichkeit hat, mit den Schülern zusammen ein interessantes Thema zu wählen und zu gestalten. Natürlich ist der Staat schon dadurch, daß das Grundgesetz eine Chancengleichheit fordert, dazu verpflichtet, Richtlinien zu schaffen; allerdings sollten diese dem einzelnen Lehrer noch ein maximales Maß an Gestaltungsmöglichkeiten geben. Gleichzeitig muß der Lehrer dadurch viel mehr Verantwortung für sein Handeln übernehmen und kann sich nicht mehr wie heute hinter seinen Vorgaben verstecken.
Um jedoch jeden Schüler zu selbständiger Arbeit zu motivieren, muß zunächst einmal gewährleistet sein, daß ein Lehrer überhaupt jeden einzelnen seiner Schüler berücksichtigen kann. Bei einer durchschnittlichen Klassengröße von 26,4 Schülern in NRW ist dies jedoch an vielen Schulen nicht möglich. Auch die hohe Quote des Unterrichtsausfalls, nämlich in NRW im 1. Quartal je nach Schulart 5,8 bis 7,9 Prozent, wie aus dem Pressearchiv des Landrates deutlich wird, zeigt, daß dringend neue Lehrer gebraucht werden.
Eine weitere Verhinderung des zukunftsorientierten Unterrichts stellen die teilweise viel zu alten Lehrmaterialien dar.
Wenn ein Schüler ein Buch erhält, was schon so verschmiert ist, daß man es kaum noch lesen kann, erzeugt dies eine nicht zu mißachtende Demotivation. Aber selbst falls es gelingt, daß Buch brauchbar zusammenzuflicken, ist es in vielen Fällen nicht mehr geeignet. Wenn man z.B. bei der momentanen Entwicklung über Arbeitslosigkeit spricht, fühlt sich jeder Schüler betrogen, wenn er eine Jahre alte Statistik auswerten soll, die sich von den Zahlen, die ihm ständig durch Informationsmedien vermittelt werden, wesentlich unterscheidet. Aus diesem Beispiel wird jedoch auch deutlich, daß man, wenn man über Entwicklungen in unserer Gesellschaft etwas lernen will, mit Büchern nur noch Grundlagenkenntnisse erarbeiten kann, während aktuelle Daten vor allem auch von den Schülern selbst beschafft werden sollten.
Zu einer weiteren Schädigung des Schülers kommt es in fast allen Schulen im Geschichtsunterricht: Auf den schönen, großen Karten, die die frühere Aufteilung z.B. Europas zeigen sollen, prangt über dem Wort "heute" noch zehn Jahre nach der Wiedervereinigung die Sowjetunion, und Deutschland besteht immer noch aus zwei Teilen.
Besonders schlimm sind jedoch die Zustände in den meisten naturwissenschaftlichen Versuchsgeräte-Sammlungen, die jeder Doktorand für ein Antiquitätenlager halten würde. Viele Versuche können aus diesem Grund überhaupt nicht gemacht werden, andere nur nach veralteten Methoden, und ansonsten sind die Versuchsergebnisse oft unnötig ungenau. Bei solchen Voraussetzungen wird ein Schüler nicht gerade dazu angeregt, Versuche durchzuführen und auszuwerten. Abgesehen von einer Aufstockung der Geräte, die in der eigentlich notwendigen Menge aufgrund der finanziellen Probleme nicht möglich sein wird, kann man z.B. Universitäten und Forschungszentren besuchen, um zu sehen, wie Versuche professionell gemacht werden.
Solche Bildungsausflüge sind überhaupt von sehr großer Bedeutung: Durch sie werden dem Schüler gelernte Dinge sichtbar und dadurch auch sinnvoll gemacht, wodurch die Motivation für das weitere Lernen zunimmt. Dadurch z.B., daß man ein in der Schule besprochenes Theaterstück anschaut, bekommt der Schüler einen neuen Blick auf das Gelesene, und zudem wird seine Kritikfähigkeit ausgebildet, da er automatisch seine eigenen Vorstellungen mit den Umsetzungen des Regisseurs vergleicht, worüber dann natürlich im Unterricht wieder diskutiert werden sollte.
Besonders wichtig sind auch Schüleraustausche: Nicht alle Eltern haben das Geld, ihren Kindern eine Sprachreise zu ermöglichen; solche von der Schule organisierten Auslandsaufenthalte kosten jedoch vergleichsweise wenig und könnten in anderen Fällen sogar gefördert werden. Der Schüler erhält dabei die Möglichkeit, ein anderes Land, seine Menschen und seine Kultur selbst kennenzulernen. Dadurch wird sein Interesse an dem anderen Land gestärkt - wodurch natürlich auch der Wille, die Sprache zu lernen, gestärkt wird - und es werden Vorurteile abgebaut. Diese beiden Aspekte werden in Anbetracht des zusammenwachsenden Europas und der allgemeinen Globalisierung immer bedeutender.
Auch Praktika werden immer wichtiger und sollten deshalb auch in möglichst großen Rahmen ermöglicht werden. Der Schüler wird hierbei wie bei der Wahl des Berufes dazu veranlaßt, sich über seine Interessen klar zu werden.
Die Hauptaufgabe der Schule ist es heute nicht mehr, den Schülern Wissen zu vermitteln, sondern sie auf ein Leben in Verantwortung fordernder Freiheit vorzubereiten. Nur die Menschen, die flexibel sind und also nicht den ständigen Veränderungen in allen Bereichen unserer Gesellschaft ausgeliefert sind, können in der Zukunft bestehen.
Die meisten Jugendlichen geben heute in Umfragen als Zukunftsängste vor allem Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit an; gerade diese Gründe werden übrigens auch immer wieder für die erschreckend hohe Jugendkriminalität genannt.
Einerseits müssen diese Probleme vom Staat mit allen möglichen Mitteln bekämpft werden, auf der anderen Seite müssen junge Menschen jedoch dazu erzogen werden, mit diesen umzugehen.
Auch dafür müssen alle nötigen Mittel bereitgestellt werden! Wenn der Steuerzahler sich heute beschwert, daß jeder Schüler ihn im Jahr 8 200 DM kostet, soll er sich mal überlegen, was ein Mensch, der sich in dieser Gesellschaft durchsetzen kann, später wert sein wird, oder wieviel ein Mensch ihn kosten wird, der diese Fähigkeiten nicht gelernt hat!


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